Gastbeitrag | 11.08.2021 | Lesezeit 6 Min.
Verfasst von Willy Axer

Die Risikoanalyse nach Geldwäschegesetz

Willy Axer Zitat

Willy Axer hat viele Jahre umfangreiches Know-How im Bereich der Geldwäsche bewiesen und ist heute selbständiger Berater in dem Bereich.

Aus Sicht des versierten Praktikers betrachtet Willy Axer die regulatorischen Grundlagen des Geldwäschegesetztes die durch weitere Restriktionen durch das GWG und der nationalen Risikoanalyse noch erschwert werden. Für den Autor ein nahezu unauflösbares Dilemma. Die Ursachen, für die nicht oder nur bedingt funktionierende Geldwäscheprävention sind nach Ansicht des Verfassers nicht in unzureichenden oder formal überfrachteten Analysen zu suchen.

Regulatorische Grundlagen

Die nach dem Geldwäschegesetz verpflichteten Personen und Unternehmen (§ 2 Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten -GWG-) haben nach § 5 dieses Gesetzes die Risiken der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu erheben, die von den betriebenen Geschäften ausgehen (Anm. des Verfassers: -nach eigener Einschätzung des Verpflichteten). In einem weiteren Schritt sind dann diese Risiken unter besonderer Berücksichtigung der in den Anlagen zum Gesetz dargestellten Risikofaktoren sowie der Informationen aus der Nationalen Risikoanalyse zu bewerten. Die Risikoanalyse ist Bestandteil des Risikomanagements der Verpflichteten (§ 4 GWG) und hat unmittelbaren Einfluss auf internen Sicherungsmaßnahmen (§ 6 GWG), also auf die Kontrollen und die Arbeits- und Organisationsabläufe, oder wie es im § 6 heißt auf die Grundsätze, Verfahren und Kontrollen.

Die Risikoanalyse ist schriftlich zu dokumentieren, regelmäßig zu überprüfen und ggf. zu aktualisieren. An anderer Stelle ist geregelt, dass die Überprüfung mindesten jährlich zu erfolgen hat. Die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde kann einzelne Verpflichtete unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag von der Erstellung der Risikoanalyse befreien. Last but not least sind vorsätzliche oder leichtfertige Verstöße gegen die Ermittlung und Bewertung der Risiken, die Dokumentation sowie die regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung mit empfindlichen Bußgeldern belegt, da es sich nach Ansicht des Regulators bei diesen Verstößen um eine Ordnungswidrigkeit handelt.

Nach herrschender Auffassung stellt die Reduzierung der Analyse auf den jeweilig individuellen Geschäftsumfang die Grundlage für den sog. risikobasierten Ansatz (risk based approach) dar. So weit so klar, wäre da nicht die im § 51 (Aufsicht) vorgesehene Möglichkeit Anordnungen zu erforderlichen Maßnahmen zur Einhaltung des Gesetzes zu treffen und gem. Abs. 8 regelmäßig aktualisierte Auslegungs- und Anwendungshinweise zu veröffentlichen. Diese Hinweise können sich naturgemäß nur auf ganze Gruppen von Verpflichteten also z.B. Kreditinstitute oder Güterhändler beziehen. Schon bei den beiden genannten Beispielen liegt auf der Hand, dass es sich dabei keinesfalls um homogene Gruppen von Verpflichteten handelt.

Die Frage sei erlaubt, was wird also aus der risikobasierten oder besser individuellen Analyse? Wir erinnern uns, Ziel ist es Geldwäsche und Terrorismusfinanzierungsrisiken zu erkennen und zu vermeiden und nicht, formale Vorgaben umzusetzen. Doch damit nicht genug.

Restriktionen und Einflussfaktoren

Bereits nach § 5 GWG sind, wie dargestellt die Einflussfaktoren aus den Anlagen 1 und 2 des GWG und die Informationen aus der Nationalen Risikoanalyse (NRA) zu berücksichtigen. Zitat aus der Ersten Nationalen Risikoanalyse 2018/2019:

„Die Nationale Risikoanalyse dient dazu, das Risikobewusstsein im Bereich der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in Deutschland weiter zu schärfen. Die Ergebnisse dieser Nationalen Risikoanalyse müssen zukünftig von den Verpflichteten des Geldwäschegesetzes gemäß §5 Abs. 1 Satz 2 GwG bei der Erstellung ihrer eigenen Risikoanalyse berücksichtigt werden, sodass die Analyse eine Ausstrahlungswirkung auf die Risikoanalysen der Verpflichteten entfaltet.“

Damit steht fest, ohne Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der NRA liegt zumindest ein leichtfertiger Verstoß nach § 51 GWG im Rahmen der Ermittlung oder Dokumentation auf der Hand, werden doch bestimmte Produkte und/oder Vorgänge mit konkreten Bewertungen genannt.

Zudem werden von der federführenden Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in den Auslegungs- und Anwendungshinweisen über mehrere Seiten hinweg ganz konkrete Anforderungen an Aufbau und Inhalt der Risikoanalyse gestellt und darüber hinaus Mindestkriterien für die Bewertung vorgegeben. Die Auslegungs- und Anwendungshinweise der BaFin wurden zwischenzeitlich nahezu 1:1 von allen anderen Aufsichtsbehörden übernommen.

In ihren Hinweisen macht die BaFin für bestimmte Gruppen von Verpflichteten die gemeinsamen Leitlinien der Europäischen Aufsichtsbehörden zum Kernstück des risikobasierten Ansatzes und damit ebenfalls zum Bestandteil der individuellen Risikoanalyse für diesen Kreis der Verpflichteten. Damit nicht genug, erstellte auch die BaFin eine eigene Risikoanalyse, um, wie in der Subnationalen Risikoanalyse SRA 2.0 2019/2020 dargestellt, die eigene Aufsichtsstrategie den Risiken anzupassen.

Problematisch aus Sicht des Verfassers ist der Hinweis auf die Ableitung aus der NRA und die ebenfalls vorhandenen konkreten Bewertungen. Honi soit qui mal y pense oder glücklich der Verpflichtete, der auch darauf in seiner individuellen Analyse Rücksicht nimmt oder wenigstens via Dokumentation zu erkennen gibt, diese Ergebnisse zu kennen.

Natürlich darf in diesem ausgewählten Kreis die oberste Verwaltungsbehörde des Staates bei der Verfolgung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung nicht fehlen. Insider haben längst erkannt, dass der Verfasser hier von der Financial Intelligence Unit, der FIU spricht. Nein, an dieser Stelle sei nicht die Diskussion über Unzulänglichkeiten in Einzelfällen erwähnt, sondern der erste Jahresbericht 2019 dieser Behörde. Unter der Überschrift „Typologien und Trends – Einführung von Risikoschwerpunkten“ heißt es dort:

„Im Rahmen der Entwicklung der Risikoschwerpunkte wurden neben Bewertungen der FATF ebenso die Erkenntnisse der Nationalen Risikoanalyse (NRA) berücksichtigt. Da die Ergebnisse der NRA zukünftig von den Verpflichteten des Geldwäschegesetzes beim Erstellen ihrer eigenen Risikoanalyse beachtet werden müssen, ist es der FIU auf diese Weise gelungen, eine Verzahnung vorzunehmen, die Partnerbehörden wie Verpflichtete gleichermaßen betrifft.“

Dieses Zitat wirft zumindest die Frage auf, ob der einzelne Verpflichtete diesen Bericht völlig ignorieren kann, oder ob als Mindestansatz nicht doch bei der individuellen Betrachtung die Schwerpunkte explizit zu berücksichtigen sind.

Abschließend sei an dieser Stelle auf die zwischenzeitlich erfolgte Änderung der wesentlichsten gesetzlichen Vorgabe hingewiesen, des § 261 Strafgesetzbuch.

Bestimmt doch der § 1 des GWG, dass Geldwäsche im Sinne des Gesetzes eine Straftat im Sinne des § 261 Strafgesetzbuch ist. Fatal dabei, die Definition des GWG wurde zu einer Zeit geschaffen, als im Strafgesetzbuch a.a.O. noch Straftaten genannt waren. In der aktuellen Fassung ist allerdings im Absatz 1 des § 261 lediglich von rechtswidrigen Taten die Rede. Damit kann unter den Voraussetzungen des § 261 StGB theoretisch jede Straftat auch Vortat zur Geldwäsche sein.

Betrachtungen aus der Sicht eines Praktikers

Bekanntlich sollen ja viele Köche den Brei verderben. Mit Blick auf den risikobasierten Ansatz einer individuellen Analyse der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierungsrisiken und den daraus abzuleitenden internen Sicherungsmaßnahmen kann der geneigte Leser auf den Gedanken kommen, dass dieses Sprichwort auch hier zutreffend ist. Insbesondere dann, wenn dem Leser die Liste der an der NRA beteiligten Behörden, Verbände, Institutionen etc. bekannt ist. Doch ist dem wirklich so?

Dazu müssen wir an dieser Stelle eine kurze Zeitreise antreten. Risikoanalysen (oder früher Geldwäsche-Gefährdungsanalysen) sind erst seit wenigen Jahren zwingend erforderlich. Zum Zeitpunkt der Einführung von Gefährdungsanalysen war Deutschland bereits ein Paradies für Geldwäscher und trotz aller Bemühungen der Politik und der Verpflichteten hat sich daran bis heute nichts Wesentliches geändert. Geldwäscheskandale sind nach wie vor in Deutschland nahezu so normal, dass jedem Insider mindestens 5 Vorgänge ohne intensivere Überlegung bekannt sind.

Ist es nicht Ziel der Analysetätigkeit, die eigenen Risiken zu erkennen und durch Maßnahmen zu minimieren, wenn diese schon nicht zu verhindern sind? Was also läuft schief?

Vordergründig mag das richtig sein, immer dann, wenn der Verpflichtete ein bestimmtes Verhalten als verdächtig eingestuft hat, die Täter bereits mindestens einen Schritt weiter sind, die Verpflichteten also die Hasen aus dem Märchen Hase und Igel zu sein scheinen?

Dazu muss die Frage erlaubt sein und auch gestellt werden, ob die Verpflichteten tatsächlich die individuellen Risiken der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ermitteln und bewerten, oder ob nicht in der Praxis völlig andere Bestrebungen eher Raum greifen.

So bewertet die NRA das Girokonto durchgängig mit dem zweithöchsten Produktrisiko. Folgt man der Überlegung, dass die NRA das sog. Bruttorisiko (Risiko ohne jegliche Sicherungsmaßnahmen) darstellt, sind weitere Sicherungsmaßnahmen im Rahmen der individuellen Risikoanalyse anzustreben. Ungeschickterweise erfolgte die Bewertung der NRA auf der Grundlage vorhandener Sicherungsmaßnahmen, da die Erkenntnisse zum Produkt aus den vorliegenden Fallkonstellationen gezogen wurden. Was also tun? Weitere Kontrollen oder Veränderungen in den Abläufen (Achtung betriebswirtschaftliche Auswirkungen) oder gar das Produkt einstellen?

Ist es wirklich das Produkt, das ein entsprechendes Risiko beinhaltet oder eher der Missbrauch durch die einschlägige Klientel. Allerdings ist eine individuelle Bewertung ja zwingend notwendig, da wohl niemand die NRA-Bewertung übernehmen kann und will. Ein nahezu unauflösbares Dilemma. Aus eigener Erfahrung muss vor dem Hintergrund jährlicher Prüfungen (zumindest bei Verpflichteten, die der BaFin unterstehen) zwangsläufig der Überlegung kommen, die formalen Anforderungen zu erfüllen und damit Bußgelder zu vermeiden.

Am Ende des Tages besteht dann die Chance durch Monitoring oder andere Überwachungsmaßnahmen den einen oder anderen Vorgang aufzudecken. Die Ursachen, für die nicht oder nur bedingt funktionierende Geldwäscheprävention sind nach Ansicht des Verfassers nicht in unzureichenden oder formal überfrachteten Analysen zu suchen. Eine gesamtgesellschaftliche Aufarbeitung des Themas ist, angefangen bei Bargeldgrenzen, hier zu fordern.

Vita:

Willy Axer ist seit seiner Pensionierung im Jahr 2020 selbständiger Berater und Seminarsprecher im Bereich der Geldwäsche und Compliance. Der ausgewiesene Fachmann war über 44 Jahre bei der Kreissparkasse Köln tätig. Anfang 2001 hat er die Leitung des Bereichs Prävention mit Fokus auf Geldwäscheprävention, Verhinderung von Terrorismusfinanzierung und Betrugsprävention übernommen. Außerdem ist er Mitglied verschiedener regionaler und überregionaler Arbeitskreise in diesen Themengebieten.